das triffts! |
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> USA: 3 000 Kilometer durch den Südwesten Wikinger
Reisen - Reiseberichte (Forum)
"Jedem
sollte es möglich sein, zwei Städte zu lieben, seine eigene und San
Francisco", schrieb der Schriftsteller Gene Fowler (1890-1960) und brachte
das Gefühl damit auf den Punkt. Nebelhörner und Brücken, Wolkenberge
knapp über der pastellblauen Bucht, kühle Feuchtigkeit, die sich
auf die Haut legt, Fisherman's Wharf, die Insel Alcatraz, Hügel, Cable
Cars in steilen Straßenschluchten, China Town und Flower Power: San Francisco
verführt gerade wegen seiner Widersprüche und stimmt wunderbar ein
auf die Fahrt in den Südwesten der USA.
Warm ist es hier, fast ein wenig stickig. Die Schritte federn auf dem lehmroten Waldboden, während der Blick an den mächtigen Redwood-Bäumen hoch gleitet. Im Mariposa Grove stehen 500 uralte Holzriesen. Der größte und älteste unter ihnen, der Grizzly Giant, verankerte seine Wurzeln im Boden sechs Jahrhunderte bevor Jesus in Nazareth geboren wurde, ungefähr zu der Zeit, als der historische Buddha in Indien lehrte. Der Grizzly Giant soll 2700 Jahre alt sein, misst gut neun Meter im Durchmesser und ist 64 Meter hoch. Dem Botaniker John Muir ist es zu verdanken, dass diese mächtigen Giganten Anfang des 20. Jahrhunderts von den Holzfällern verschont blieben. Er übernachtete an der Seite von Präsident Theodor Roosevelt unter den Bäumen und überzeugte den Staatschef, dass der Wald Teil des gerade entstehenden Yosemite-Nationalparks werden müsse.
Yosemite heißt in der Sprache der Indianer "Grizzlybär".
Auf gut 3000 Quadratkilometern erstreckt sich ein bergiges Paradies mit Höhenlagen
bis zu 4000 Metern. Gewaltige Gletscher haben sich tief in den Granit geschürft
und ein U-förmiges Tal hinterlassen, das in der Morgenluft nach Tannennadeln riecht.
In Serpentinen windet sich ein Pfad am Hang. Er führt
bergauf zu den 739 Meter hohen, in drei Stufen abfallenden Yosemite Falls.
Sprühnebel und Sonnenlicht schaffen kleine Regenbögen im frei fallenden
Wasser. Sie glitzern durch die Kiefern hindurch. Auf der Oberkante wartet eine
großartige Gebirgsszenerie, in deren Mittelpunkt der halbrunde, elefantengraue
Buckel des Half Dome (2695 Meter) steht.
Kalifornien ist ein Land der sportlichen Extreme und das gilt auch für den
Yosemite Park. Auf halbem Weg den Berg hinab biegen Läuferinnen um die Ecke,
die ihren aus Knochen, Muskeln und Haut bestehenden Körper bergauf treiben.
An dem 1000 Meter hohen Monolithen El Capitan an der nördlichen Flanke des
Yosemite-Tals üben Felskletterer den senkrechten Aufstieg. Als winzige Punkte
am Fels erreichen sie zum Sonnenuntergang den obersten Überhang. Dort bleiben
sie in ihren Gurten hängen bis zum nächsten Morgen. Schwefelquellen und Geisterstädte
Auf der Nordseite des Yosemite National Parks beginnt die Tioga Road: eine
spektakuläre Gebirgsstraße über den Kamm der Sierra Nevada,
die wegen Schneefalls manchmal bis in den Juni hinein geschlossen bleibt.
Der Tioga-Pass liegt höher als der Gipfel der Zugspitze. Dennoch wachsen
hier stattliche Kiefern. Nadelwälder, Bergwiesen und glasklare Seen
säumen die Passtrasse in mitten von Granitkuppen, die wie stumpf gewordene
Sägezähne aussehen.
Übrig geblieben sind davon malerisch konservierte Ziegel- und Holzgebäude,
blinde Spiegel im Saloon, und Bergwergsanlagen.
Zehn Kilometer weiter laden heiße Quellen zu einem
Bad im Fluss ein. Von einer offenen Schwefelstelle weht der flüchtige
Geruch fauliger Eier über
das Wasser. Von unten sprudelt es kochend heiß. Wie in einem Whirlpool
blubbert es, wo heiß und kalt aufeinander treffen. Die Haut prickelt wohlig,
wenn der Körper aus dem Wirbel zurück ins gebirgskalte Wasser des Flusses
treibt.
Am Zabriskie Point fällt die Backofenhitze
erneut über
jeden her, der den Fuß vor die Autotür setzt. Der dicke Mann vom
Tuborg-Plakat würde hier viele Anhänger für sein Bier gewinnen.
Und dennoch ist es genau diese sonnendurchglühte Leere, die die Landschaft
so atemberaubend macht. Hier wächst nichts mehr. Die erodierten Ablagerungen
eines lange verschwundenen Flusses sehen aus wie riesige versteinerte Wirsingblätter.
Adern über Adern laufen an den zerschrundenen Lehmhügeln hinunter.
Erst im Abendlicht gewinnen die Berge wieder Tiefenschärfe und schaffen gemeinsam mit der untergehenden Sonne
eine dramatische Schönheit, die Michelangelo Antonioni in seinem 1969 gedrehten
Film "Zabriskie Point" festzuhalten verstand.
An manchen Stellen scheinen sich die Felswände oben
zu berühren, an anderen fällt warmes Sonnenlicht auf den Wanderweg
durch die enge Schlucht. Irgendwann wird der Fluss selbst zum Weg. Dann erweisen
sich die wasserfesten Sandalen als gute Investition, denn hinter jeder Ecke
taucht eine neue Krümmung auf, die neugierig auf
mehr macht. Wie im Flug ist ein ganzer Tag in der angenehmen Kühle am Grund
vergangen.
Dicht gedrängt ragen filigrane
Felsnadeln, mächtige Türme und Zinnen in die Höhe. Sie erinnern
an die Schloss- und Wallanlagen eines ehemaligen Königreichs.
King Arthurs Camelot könnte hier verwittern oder eine zu Stein gewordene
Armee auf ihren Marschbefehl warten. Zu dieser Erklärung kamen zumindest
die Paiute-Indianer, die den Canyon als heilig verehrten und einen großen
Bogen um ihn machten.
Der Zauber dieses zerbrechlichen
Naturwunders bleibt auf dem Pfad nach unten
erhalten.
Das Salz war für das Gewicht dieser Schichten eine
instabile Basis. Sie sackten nach, verschoben und bogen sich, bildeten Spalten
und Risse. An denen konnten Wind, Eis und Regen ansetzen, um den Sandstein zu
Torbögen und Fenstern auszuschleifen.
Erosion und Verwitterung wirken hier wie geheimnisvolle Bildhauer, die mit wundersamen
Formationen zwischen hoch aufragenden Felswänden überraschen. Kleine
und große Bögen überspannen das Gestein. Schmale Passagen führen
durch die Felsen hindurch. Unvermittelt gibt ein Fenster im Fels den Blick frei
auf die weite Ebene hinter der Wand. Wie Rippen kerbt sich der Stein dort, wo
der Fels aufhört. Tief abgetragene Spalten laufen über mehrere hundert
Meter parallel zur Ebene. Auf ihren glatt geschliffenen Oberkanten geht es sich
wie auf einem Viadukt. Eröffnet wird diese Ansammlung von Naturwundern mit
dem Landscape Arch. Er hat eine Spannweite von hundert Metern und zählt
damit zu den größten natürlichen Bögen der Welt.
Im
frühen Morgenlicht schimmern die Steine um den Landscape Arch orange-golden,
fast als flößen hier Goldadern über den Fels. Abends fängt
sich die Sonne im wenige Meilen weiter südlich gelegenen Nationalpark
Canyonlands. Am 1800 Meter hohen Death Horse Point fällt der Fels steil
ab. Früher trieben Cowboys die Wildpferde der Gegend auf dieses Plateau,
von wo sie nicht mehr fliehen konnten. Tief unterhalb des natürlichen
Aussichtspunktes beschreibt der Colorado River eine U-förmige Schleife.
Der Blick geht weit über rostbraune Tafelberge und Schluchten, durch die
sich ein schlammig grüner Fluss windet. In diesem Geländedreieck
aus zerbröckelnden Plateaus und Klippen treffen Colorado und Green
River aufeinander. Unter einem milchig grauen Himmel sehen die Wüstenschluchten
fahl und trostlos aus. Sobald die Abendsonne aber durch die Wolkendecke bricht
und auf die Oberkante der roten Felswände trifft, glühen diese wie
heiße Kohlen.
Ton in Ton gehen Ziegel und Felsstein ineinander über,
so dass die Wohnanlage nur aus der Nähe zu sehen ist.
Gleich unterhalb des Camping-Platzes vor den drei berühmten Tafelbergen laufen bunt gescheckte Pferde in einer abgezäunten Koppel. Ein Navajo sucht sieben Tiere aus, fünf für unerfahrene Reiter, zwei für Reiterinnen, die schon mal ein Pferd von oben gesehen haben. Und dann geht es los in die Prärie. Robust und dickfellig traben die Pferde voran. Nur wenn ein Pferd übermütig wird, preschen die begleitenden Navajos heran. Ein scharfer Pfiff genügt. Anders könnte man wohl auch nicht stümpernde Anfänger auf Gäule setzen und durch die Wildnis reiten lassen. Hackentritte in die Flanke interessieren diese Tiere nicht. Zügel, die auf das Hinterteil geworfen werden, führen gelegentlich zur Beschleunigung. Vor allem aber reagieren diese Pferde aufeinander. Sobald ein Tier in langsamen Galopp fällt, folgen die anderen. Dann endet das schnelle Auf- und Abhüpfen im Sattel. Der Körper des Pferdes geht in ein fließendes Rollen über. Franz Kafkas (1883-1924) Gedicht vom Indianer wird lebendig: Wenn
man doch ein Indianer wäre Nach zwei Stunden endet der Ritt in einer Felsenschlucht. Die Pferde bekommen Heu, die Touristen Limonade und Brot. Am mittelblauen Himmel steht ein weißer Mond. Die Schatten aus der Schlucht wandern langsam die erhitzten Felswände hoch. Eine weitere Touristengruppe reitet heran und lässt sich am Picknick-Tisch nieder.
Plötzlich ist es dunkel. Ein Navajo sitzt
am Lagerfeuer. Irgendwann holt er seine Flöte und beginnt auf ihr zu blasen.
Melancholisch klingt das, und mitten in diesem Klischee scheint nichts anderes mehr von Bedeutung als sich
von der Dunkelheit gefangen nehmen zu lassen und den Geräuschen der Tiere,
des Feuers und der Flöte zu folgen. Der Nachthimmel wölbt sich wie
eine Kuppel. Im Schlafsack zwischen raschelnden Sträuchern und Büschen
bleiben die Augen gebannt auf Millionen Sternen hängen.
Hinter einer gigantischen Talsperre
aus grauem Beton hat sich der Colorado 300 Kilometer weit ausgebreitet. Sechsundneunzig
geflutete Seitencanyons geben dem Stausee das Aussehen eines Kraken. Die Küstenlinie
des Lake Powell ist mit rund 3 000 Kilometern länger als der Westen der
USA am Pazifik. Ausflugsdampfer, Wasserski-Boote, Segler und Surfer verteilen
sich großzügig auf dem Wasser. Weiße Wattewolken trödeln über
den blauen Himmel. Nichtstun ist die einzig logische Entscheidung. Die Hitze
entschleunigt ins Zeitlupentempo. Erfrischung bringt allein ein Sprung vom Klippenstrand.
Dann brennt die Sonne nur noch auf dem Kopf.
Langsam fliegt der Helikopter über eine waldbestandene Ebene, bis plötzlich die Erde unter ihm weg bricht. Die spanischen Konquistadoren der Coronado-Expedition waren die ersten Weißen, die an diese Kante des Gand Canyons stießen und vergeblich einen Weg hinein suchten. Ihnen folgten Pelztierjäger, Händler und erste Forschungsreisende. Im Mai 1869 startete Major John Wesley Powell seine erste große Expedition durch den Grand Canyon. Neun Männer und vier Boote steuerten auf dem Colorado ins Ungewisse. Nachempfinden lassen sich die Strapazen dieser dreimonatigen Expedition im IMAX Theater des Grand Canyon Village. Seit Jahren wird hier der 3-D-Film "Grand Canyon - The Hidden Secret" gezeigt.
Einfacher als eine Rafting-Tour auf dem Colorado und gleichfalls atemberaubend
ist die Wanderung vom South Rim hinab in den Canyon. Morgens um fünf schiebt
sich eine feuerrote Sonne über den Rand der Schlucht. Am Abgang des Bright
Angel Trail warnt eine Schild mit Totenkopf: "Danger. Extrem Heat Conditions
Exist In The Canyons. Hiking May Lead To Life-Threatening Injury Or Death! Hike
At Your Own Risk." In der Kühle der Morgendämmerung murren nur die
Kniescheiben. 7,4 Kilometer windet sich der Pfad entlang steiler Abbrüche
hinunter zu den Indian Gardens. Um sieben Uhr morgens ist es hier bereits empfindlich
warm. Nur die breiten Kronen der grünen Cottonwood-Bäume spenden Schatten
in einer ansonsten ausgedörrten Steinlandschaft.
Der von Rinnen zerfurchte Felsen fällt hunderte
Meter steil ab zum grün am Grund fließenden Colorado River.
Am liebsten würde man auf dem flachen Plateau oben den Morgen genießen, wäre
da nicht die Sonne, die daran erinnert, dass die Hitze hier in Kürze über
40 Grad erreichen wird.
Wie eine Lichtorgel laufen große Wolkenschatten über
die Felsnasen, Plateaus und Kegelberge. Irgendwann auf den letzten zweihundert
Metern kommt der Moment, wo der Körper nicht mehr weiter will.
Dann hilft nur, die Augen an den Boden zu heften und die Füße einen
vor den anderen zu zwingen. In Sichtweite der Oberkante verwandelt sich die
Müdigkeit wieder in Euphorie - und in verdutztes Staunen. In der Mittagssonne
kommt eine Frau auf Stöckelschuhen den Pfad herab. Eine vierköpfige
Familie schlendert nach unten, ausgerüstet mit einer Halbliterflasche Cola.
Ihr folgen zwei übergewichte Männer mit hochrotem Kopf. Jedes Jahr
holen die Park Ranger Dutzende Touristen aus dem Canyon, die sich zu weit vorgewagt
haben in die majestätische Schönheit dieses einzigartigen Naturwunders
und nicht mehr aus eigener Kraft nach oben kommen.
Am Tag verschwindet der Lichterzauber hinter Abgasen und Staus. Downtown L.A., Santa Monica Freeway, Venice Boulevard und endlich: Weiterfahrt verboten. Auf dem Ocean Front Walk von Venice Beach schieben Menschen an T-Shirt-Verkäufern, Postkartenständern, Sonnenbrillen und elektronischem Spielzeug vorbei. Orangensaft fließt aus Saftpressen. Wie auf einem Jahrmarkt turnen Akrobaten und Jongleure. Kartenleger bieten ihre Dienste. Afrikanische Trommler trommeln inmitten einer Menschentraube. Dazwischen laufen Skater, drippeln Basketballer. Ölglänzende Fitness-Freaks hebeln Gewichte in den Open Air Studios. Das letzte Stück bis zum Wasser füllt weißer, feiner Standstrand. Langsam rollt er an, der Pazifische Ozean. Fast spiegelglatt ist seine Oberfläche. Dann schwappt er gelassen an den Strand, spült um Füße und Waden und hinterlässt einen meterbreiten Schaumrand entlang der kalifornischen Küste.
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