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Euphemismen im alltäglichen Sprachgebrauch

> Tabuisierte Körperteile

Obwohl die christliche Kirche der genitalen Erregung, ja den Genitalien selbst, bisweilen gerne die Existenzberechtigung abgesprochen hätte, läßt das umfangreiche Vokabular für diese Teile der Anatomie darauf schließen, daß der Geschlechtlichkeit im menschlichen Denken ein bedeutender Platz eingeräumt wurde und wird. Dabei gilt auch hier, daß dem Durchschnittssprecher - abgesehen von dem medizinischen Fachvokabular - keine geläufigen, neutral konnotierten Wörter für die Genitalien zur Verfügung stehen.1 Während die Dysphemismen den Geruch des Unanständigen nach sich ziehen, neigen die Euphemismen dazu, entweder zu erhöhen und zu verherrlichen oder zu verbergen und zu banalisieren. Dementsprechend vielfältig sind die Referenzfelder, die mit den Ersatzausdrücken in Verbindung stehen:

Every imaginable aspect of the appearance, location, functions, and effects of the genitalia have been drawn upon as bases for metaphor from the gross fuckhole to the mundane meat and two veg to the highly imaginative (if precious) the miraculous pitcher, that holds water with the mouth downwards.2

Abgesehen von den unbestimmten Verallgemeinerungen equipment, instrument, thing oder whatchamacallit, fallen in Zusammenhang mit dem Penis drei Kategorien auf: Die erste Kategorie referiert auf den Penis als Waffe. Hierzu gehören das zum Vulgarismus abgestempelte Wort prick, das wie das Wort pencil auf die spitze Form anspielt, sowie die expliziteren Euphemismen sword, gun, pistol, lance, pike, dart und chopper.3 Innerhalb des Referenzfelds "Waffe" lassen sich weitere Untergruppen erkennen, die Deborah Cameron erläutert:

Most weaponry terms for the penis ring the changes on three types of weapon: guns (spoo gun, squirt gun, love pistol, passion rifle), spears or knives (meat spear, lightsabre), and missiles (pink torpedo, heat-seeking moisture missile). There are other terms which do not directly name weapons but which clearly evoke warfare and destruction, such as stealth bomber, destroyer, and a series of terms involving the word helmet (polished helmet, shiny helmet, purple helmeted love warrior).4

Zur zweiten Kategorie gehören Ersatzausdrücke, die den Penis als Lustbringer versinnbildlichen. Joystick, love muscle, ladies' treasure und ladies' delight dienen hier als Beispiel. Besonders auffällig ist jedoch die Gewohnheit, die Geschlechtsteile - denn dies gilt für Penis und Vagina - mit Eigennamen zu versehen. Auf diese Weise wird den Genitalien eine eigenständige Identität verliehen, der man gut zureden kann, von der man sich bei Versagen distanzieren und über die man in der Öffentlichkeit sprechen kann. Wie so ein Zwiegespräch mit dem "besten Freund des Mannes" verlaufen kann, führt D. H. Lawrences Captain Mellors in Lady Chatterley's Lover (1928) vor:

The man looked down in silence at the tense phallos, that did not change. - 'Ay!' he said at last, in a little voice, 'Ay ma lad! tha'art thee right enough. Yi, the mun rear thy head! Theer on thy own, eh? an' ta'es no count o'nobody! Tha ma'es nowt o' me, John Thomas. Art boss? of me? Eh well, tha'rt more cocky than me, an' that says less. John Thomas! Dost want her? Dost want my lady Jane? ... Tell Lady Jane tha wants cunt, John Thomas" ...'5

Die häufigsten Eigennamen für den Penis sind Dick, Dave, Tom, Peter, Willie, Jack, John und der durch D. H. Lawrence berühmt gewordene John Thomas.6 Denselben besingt Monty Python in seinem "Penis Song (Not the Noel Coward Song)" - einem Lied, das noch mit anderen Umschreibungen für das Geschlechtsteil aufwartet:

GOOD EVENING LADIES AND
GENTLEMEN. HERE'S A LITTLE
NUMBER I TOSSED OFF
RECENTLY IN THE CARIBBEAN.

Isn't it awfully nice to have a penis,
Isn't it frightfully good to have
a dong?
It's swell to have a stiffy,
It's divine to own a dick,
From the tiniest little tadger,
To the world's biggest prick.

So three cheers for your Willy
or John Thomas,
Hooray for your one-eyed
trouser snake,
Your piece of pork, your wife's
best friend,
Your Percy or your cock,
You can wrap it up in ribbons,
You can slip it in your sock,
But don't take it out in public,
Or they will stick you in the dock,
And you won't come back.7

[Monty Python - Penis Song: mp3]

Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang eine Studie, die Deborah Cameron im Frühjahr 1990 an der Universität von Strathclyde durchführte. Cameron ließ eine Gruppe, die sich nur aus männlichen Studenten zusammensetzte, und eine Gruppe, die nur aus weiblichen Studenten bestand, auflisten, welche Ausdrücke diesen für den Penis einfielen. Auch hier zeigte sich, daß bei der Benennung häufig von Eigennamen Gebrauch gemacht wird. Besonders die Männer griffen dabei auf Anredeformen für Autoritätspersonen (his Excellency, your Majesty, the chief, the mayor, the judge) und Figuren aus Mythen, Legenden, TV-Serien und Comicheften (Genghis Kahn, Cyclops, Kojak, Mac the Knife, The Lone Ranger, The Purple Avenger) zurück. Ein weiteres Referenzfeld waren Tiernamen (King Kong, The Dragon, King of the Jungle, cobra, python, hog, eel). Insgesamt warteten die männlichen Studenten mit 144 Ersatzwörtern auf. Die Liste der weiblichen Studenten fiel mit 50 Begriffen wesentlich kleiner aus.8 Doch dies war nicht der einzige Unterschied, denn die Frauen benutzten außerdem weniger Kategorien, wobei die Wörter, die auf Autoritätsymbole, raubgierige Tiere, Werkzeuge und Waffen referieren, stark unterrepräsentiert waren. Zusammenfassend schreibt Deborah Cameron:

The metaphors the male group apparently use to organize their lexicon of terms referring to the penis recapitulate well-worn themes and conventions having to do with cultural prescriptions for masculinity (both sexuality and, even more saliently, gender-identity). The penis inspires awe (your Majesty) but also fondness (John Thomas). It is for fun (hairy hound of hedonism) but also a ravening beast (Cuso). It dominates and destroys (rod of lordship, Genghis Kahn, stealth bomber, jackhammer) but is sometimes ridiculous (squirt-gun) and provokes anxiety about size and performance (noddle, wienie, beast of burden). (...) The interesting thing about the female list is the women informants' near total rejection of the male conceptual schema. The names have no mythic or heroic status; the comparison with objects (pole, pencil) lack the implication of active aggression found in screwdriver and jackhammer; even the weaponry terms are innocent of the "search and destroy" motif in stealth bomber or heat-seeking moisture missile. There are no ravening beasts and no references to masturbation, anal intercourse, or fellatio.9

Im Vergleich mit den Ersatzwörtern für das männliche Genital ist die Liste von Eigennamen für das weibliche Genital bedeutend kleiner. D. H. Lawrence' Roman Lady Chatterley's Lover ist es zu verdanken, daß auch Lady Jane als Euphemismus für das weibliche Geschlechtsteil Verbreitung fand. Jane wird ergänzt durch Eigennamen wie Bess, Daisy, Eve und Pussy. Diese Namensreihe kann unter Umständen noch durch fanny vervollständigt werden. Fanny ist ein Slangwort, das im britischen Englisch für "arse" oder "vagina", im amerikanischen Englisch nur anstelle von "arse" verwendet wird. Die Herkunft des Wortes liegt im Dunkeln. Unter anderem wird aber vermutet, daß fanny mit der Bedeutung "vagina" auf die Romanfigur Fanny Hill aus John Clelands Memoirs of a Woman of Pleasure (1748-1749) anspielt. So erklärt Godfrey Howard im Zusammenhang mit dem Wort funny:

This slang word, classed in the UK as 'vulgar', means a woman's genitals, and goes back to 1794, according to one expert on English. That year, a classic on life in a brothel was published, The Memoirs of Fanny Hill. In the 1980s, the word is still used, often in a friendly way by both men and women. Some years back, the residents of Fanny Road in Barnes, London, who couldn't stand the jokes any more, got together and had their road re-named 'St Hilda's Road'. Such is the power of language. In the US, fanny is slang (though not considered 'vulgar') for 'backside' and is used for both sexes.10

Die bekannteste und neutralste Bezeichnung für das stark tabuisierte four-letter word cunt, das nur durch fuck Konkurrenz bekommt, ist das lateinische Lehnwort vagina. Vagina bedeutet "sheath" und bildet das Äquivalent zum männlichen sword. Daneben steht eine Anzahl von Euphemismen, die auf die anatomische Beschaffenheit Bezug nehmen. Hierzu gehören die Ersatzwörter ring, circle, cleft, crack, hole, breach, gash, slit und slot, aber auch die verfremdenderen Ausdrücke basket, bushes, can, case, gate, box, bottle, pond, mouth, oyster und fig. Wie für den Penis bestehen auch für die Vagina eine Reihe von verallgemeinernden Umschreibungen wie it, piece, toy, twat und das auf cunt referierende Syntagma the divine monosyllable. Diese werden ergänzt durch poetische, manchmal pittoresk anmutende Euphemismen, deren Bandbreite von the Bower of bliss, postern gate to the Elysian field, temple of Venus, love's paradise, Cupid's alley, Eve's Custom House, palace of pleasure, harbor of hope bis zu carnal trap, cock alley, green grocery, oven und honeypot reichen.11

Einzig das Wort cunt - obwohl es jedem Sprecher, der die englische Sprache beherrscht, bekannt ist und zu Chaucers Zeiten noch ohne Scham verwendbar war - gehört in gemischten Gesprächsrunden nach wie vor zu den "Unaussprechlichen" und darf erst seitdem das Druckverbot für D. H. Lawrences Lady Chatterley's Lover aufgehoben wurde im vollen Umfang seiner vier Buchstaben auf Papier festgehalten werden. Das Verbot wurde in den Vereinigten Staaten von Amerika im Jahr 1959, in Großbritannien im Jahr 1960 aufgehoben.12 Hugh Rawson macht in diesem Zusammenhang auf eine weitere interessante Erscheinung aufmerksam:

As a result of the long-standing ban on "cunt," a host of euphemisms and circumlocutions have been created to fill the linguistic vacuum. Their number reflects the strength of the underlying taboo and also, apparently, the amount of gossiping that men do about sex, it being mainly the words of men that are preserved in literature.13


Anmerkungen

1

Siehe dazu: Genzel, Peter, Die Lebensfunktionen der Menschen und Säugetiere im Spiegel der englischen Sprache, 1959, S. 120 ff..[zurück]

2

Allan, Keith, Burridge, Kate, Euphemisms & Dysphemisms: Language used as shield or weapon, 1991, S. 96.[zurück]

3

Siehe dazu: Allan, Burridge, 1991, S. 97.[zurück]

4

Cameron, Deborah, "Naming of Parts: Gender, Culture, and Terms for the Penis among American College Students", in: American Speech, 67 (1992), S. 371. [zurück]

5

Lawrence, D. H., Lady Chatterley's Lover, 1959, S. 196 ff.. [zurück]

6

Siehe dazu: Neaman, Judith S., Silver, Carole G., In Other Words. A Thesaurus of Euphemisms, 1991, S. 33. [zurück]

7

Aus: Textbuch zur CD Monty Python Sings, 1989, Virgin Records Ltd. (Kennnummer: MONT D1, 0777 7 86253 2 2.) [zurück]]

8

Die vollständige Liste findet sich im Anhang des Artikels "Naming of Parts: Gender, Culture, and Terms for the Penis among American College Students" auf den Seiten 379 bis 381. [zurück]

9

Cameron, 1992, S. 373 und 376. [zurück]

10

Howard, Godfrey, A Guide to Good English in the 1980s, 1985, S. 75. Der Experte, auf den hier verwiesen wird, ist Eric Partridge. Weitere Hinweise auf die Herkunft und Bedeutung des Wortes fanny finden sich bei: Rawson, Hugh, A Dictionary of Euphemisms and Other Doubletalk, 1981, S. 100; Allan, Burridge, 1991, S. 102 ff.. [zurück]

11

Siehe dazu: Rawson, 1981, S. 296 ff.; Neaman, Silver, 1991, S. 26 ff. und S. 31 ff.; Holder, R. W., The Faber Dictionary of Euphemisms, 1989, S. 381, Spalte 1 ff. und S. 390, Spalte 2 ff.; Allan, Burridge, 1991, S. 96 ff.; Genzel, 1959, S. 120 ff.. [zurück]]

12

Siehe dazu: Rawson, Hugh, A Dictionary of Invective, 1991, S. 106 ff.. [zurück]]

13

Rawson, 1981, S. 297. [zurück]



 
 

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© nicole zöllner phone (040) 500 187 44 e-mail: zoellner@das-triffts.de

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