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> Bärenfellmützen in Arhus

Kieler Nachrichten - Ressort Reisen, 13.6.2003

Dänemarks quirlige Universitätsstadt ist Sommersitz der Königin - Besuch im Garten von Schloss Marselisborg


Das Wachhäuschen neben dem Tor ist verwaist. Signal dafür, dass die dänische Königin nicht zu Hause ist. Ein kleines Messingschild am Torpfosten erinnert, dass Margarethe II gewöhnlich im Juli in Schloss Marselisborg wohnt. In dieser Zeit ist die Sommerresidenz der Regentin fünf Kilometer südlich der Arhuser Innenstadt zwar für die Öffentlichkeit geschlossen.

Schloss Marselisborg

Schloss Marselisborg - Sommersitz der dänischen Königin (Fotos: André Berthy)

Dafür schlagen jeden Mittag bärenpelzbemützte Gardesoldaten die Reitstiefel aneinander und wechseln ihre Plätze vorm Wachhaus - zur Freude der Urlauber.

An diesem sonnigen Frühsommertag fällt der Wachwechsel aus. Ganz sicher war sich die Beraterin der Touristinformation am Arhuser Rathaus nicht: "Probieren Sie es aus. Man kann nie wissen", ermunterte sie, ohne ihr Erstaunen über das Interesse an königlichen Besuchsterminen ganz verbergen zu können. Schloss Marselisborg fällt in Arhus unter die Rubrik Nebensächliches. Vielleicht hält sich Margarethe II deshalb so gern in Arhus auf.

Arhus ist eine quirlige Universitätsstadt direkt an der Ostsee, 250 Kilometer oberhalb der deutsch-dänischen Grenze bei Flensburg. Abgesehen von Kopenhagen bietet sie die beste Musik-, Kultur- und Kneipenszene des Landes. Sobald die Sonne scheint, ist hier alles auf den Strassen. Die Cafés sind voll. Auf den Treppenstufen entlang des Kanals, der quer zur Haupteinkaufsstrasse fließt, treffen sich leger gekleidete Mitzwanziger zum geselligen Sit in. Vorm Magasin du Nord, dem größten Kaufhaus der Stadt, stehen während dessen vier leutselig aussehende Dänen, denen man die Radikalität ihrer Flugblätter nicht zugetraut hätte. Sie sammeln Unterschriften gegen die Siedlungspolitik Israels. Um die Ecke steuert eine Zwölfjährige zielsicher Passanten an, die möglicherweise Abnehmer mehrerer Bogen eingeschweißter Kinderbriefmarken sein könnten. "Du willst doch bestimmt auch, daß die dänischen Kinder gut in der Schule lernen können." Sie wechselt ohne Probleme ins Englische und erklärt, dass sie zum jährlichen Kindertag Spenden für die Ausstattung der dänischen Schulen sammelt. Für nicht-synchronisierte Filme spricht viel.

Zwei Kilometer weiter südlich ist von diesem bunten Nebeneinander nicht mehr viel zu spüren. Entlang der Küstenstrasse ziehen sich dezent luxuriöse Einfamilienhäuser, bis sich die Strasse langsam durch Laubwälder hoch zu winden beginnt und auf einen breit angelegten, von Linden umsäumten Erholungspark zuläuft. Dahinter beginnt der Wald von Marselisborg, der sich weitere zehn Kilometer entlang der Küste streckt. Und auf der Kuppe des Hügels, gleich oberhalb des Parks, liegt das Schloß.

Da die Königin nicht zu Hause ist, sind die schmiedeeisernen Torflügel geöffnet. Die leicht ansteigende Auffahrt führt unter Bäumen zum weißen Herrenhaus hinauf und öffnet sich zu einer großen Rasenfläche, die den Blick auf die tiefblaue Ostsee frei gibt. Königin Margarethe II ist bei ihren Untertanen durchaus beliebt. Sie raucht wie ein Schlot, malt Bilder und ist eine engagierte Förderin moderner Kunst. Das zeigt sich auch im Schlossgarten von Marselisborg. Gleich links hinter der Auffahrt wachsen zierliche rosa Kirschbäume, die von einer monumental geschwungenen Bronzeskulptur des englischen Künstlers Henry Moore erdrückt werden.

Hinter dem Herrenhaus lädt eine weitläufige Gartenanlage zum Spaziergang ein. Sandpfade führen um Hecken und Baumgruppen herum, in denen sich Bronze- und Marmorfiguren verbergen.

Keramikvase im Pergolarund

Keramikvase im Schlossgarten von Marselisborg

Die Wege führen zu einem Rasenplatz, der von einer Pergola umkreist wird. An deren Stützpfeilern ranken Rosen, die noch drei, vier Jahre brauchen, bevor ihre Blüten über den oberen Rand hinabfallen werden. Vorerst dominiert eine drei Mann hohe Keramikvase das Rund und verleiht dem Rasenkreis den Anschein einer Ritualstätte.

Rosen sind ein weiteres Steckenpferd der dänischen Königin, deren Freizeitbeschäftigungen die Distanz zwischen Königsfamilien und gewöhnlichen Menschen erfrischend überbrückt. Margarethe II illustrierte eine Reihe von Büchern, darunter J.R.R. Tolkiens "Herr der Ringe", entwarf Kostüme für das königliche Theater-Ballett und übersetzte mit ihrem französischstämmigen Ehemann Prinz Henrik einen Roman von Simone de Beauvoir ins Dänische.

Wie ihr ältester Sohn Kronprinz Frederik, studierte Margarethe II an der Universität von Arhus, die in sieben Kilometern Luftlinie vom Schloss, nördlich der Innenstadt liegt. Hörsäle, Fakultäten, studentische Wohnheime und zwei Museen mit Planetarium sind dort Anfang der 1930er Jahre von dem Architekten C.F. Møller in eine hügelige Parkanlage zusammengefasst worden.

Architektonisch ebenso interessant sind die neuen Universitätsgebäude des Nobel Parks am Rand des alten Campus. Rote Klinkerbauten, die von großzügigen Stahl- und Glaskonstruktionen durchbrochen werden, beherbergen unter anderem das Institut für Sprache, Literatur und Kultur, an dem Dänisch, Englisch, Französisch und Deutsch gelehrt wird. Auch am Sonntag sitzen Studenten vor den sechsstöckigen Glas-Klinker-Fassaden in der Sonne. "Von hier hat man einfach den besten Überblick", sagt eine junge Frau, rückt ihre Sonnenbrille zurecht und fährt fort, Zeilen in ihrem Buch zu unterstreichen.

Gleiches lässt sich vom Erholungspark unterhalb von Schloss Marselisborg sagen. Der Haltestreifen am Kongevejen - dem Königsweg - hat sich über die Mittagszeit mit Autos gefüllt. Kleine Gruppen von Sonnenhungrigen lagern auf Wolldecken im Gras. Durch den Lindengang entlang der Straße braust ein Radfahrer. "Vorsicht", ruft er und zischt vorbei, den Schwung des Hangs nutzend. Das kleine Wachhaus neben den eisernen Torflügeln der Schlossauffahrt bleibt unbeachtet unter dem dunklen Blätterdach der Bäume zurück. Bärenfellmützenträger brauchen im Sommer Schatten.



 
 

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© nicole zöllner phone (040) 500 187 44 e-mail: zoellner@das-triffts.de

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